Dyskinesie

Im Mund- und Kieferbereich gibt es die verschiedensten Anomalien. Dazu gehören unter anderem Kieferfehlstellungen, die diverse und weitreichende Problematiken auslösen können. Auch schlechtsitzende Prothesen kommen als Ursache infrage- unter anderem, wenn die Muskelfunktionen in der Gesichtsregion beeinträchtigt sind. Dafür gibt es einen medizinischen BegriffDyskinesie (griech. Dyskinesia). Am häufigsten tritt die Dyskinesie im Lippenbereich auf.

Was ist Dyskinesie?

Dyskinesie (PCD) ist eine Störung des Nervensystems, die sich unmittelbar bemerkbar macht und die die Patienten nicht kontrollieren können. Bei der zahnmedizinisch relevanten Form wird die Zunge bei der Erzeugung bestimmter Lauten nicht richtig positioniert. Man unterscheidet zahnmedizinisch zwischen der primären und der sekundären Dyskinesie. Bei der ersten Form können Gebissanomalien die Folge sein, bei der zweiten Form bedingen bereits existierende Zahn- oder Kieferfehlstellungen eine PCD. Bestimmte Medikamente haben ebenfalls Auswirkungen. Manchmal ist die Einnahme von Neuroleptika für die Bewegungsstörungen verantwortlich. Gelegentlich kommt es auch zu tardiven Dyskinesien, einem später auftretenden Syndrom.

Was sind die häufigsten Symptome von Dyskinesie und wie wirken sie sich auf den Alltag von Patienten aus?

Charakteristisch ist zum Beispiel das feste Pressen der Zunge gegen die Zähne.

Weitere Symptome sind:

  • Mundatmung
  • Lispeln
  • Daumenlutschen
  • Zungenpressen
  • Lippenknabbern
  • Reflexartige Impulse
  • Zuckungen
  • Ruckartige Bewegungen
  • Grimassen
  • Bewegungsstörungen
  • Plötzliche Kaubewegungen
  • Frühkindliches Schluckverhalten

Aus dem gemeinsamen Auftreten der Symptome ergibt sich das für Krankheit typische Syndrom. Den Patienten ist ihre nicht steuerbare Auffälligkeit peinlich, sie versuchen die reflexartige Bewegung zu verbergen, können sie aber nicht unterdrücken.

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es für Dyskinesie und welche Vor- und Nachteile haben sie?

Die muskulären Fehlsteuerungen im Mund- und Kiefermechanismus werden vom Zahnarzt diagnostiziert, die klinischen Symptome festgestellt und anschließend behandelt.  Ersten Aufschluss gibt bereits die ausführliche Anamnese. Wenn der Zahnarzt den genauen Zahn- und Kieferstatus unter Einbezug diagnostischer Verfahren ermittelt hat, folgt die Analyse, ob es sich um eine primäre oder sekundäre PCD handelt. Dazu bedient sich der Zahnarzt unter anderem mechanischer Hilfsmittel wie dem Einsatz einer Mundvorhofplatte, die das Ausführen der schlechten Angewohnheit und die implusive Handlung unterdrückt. Verbessert sich durch dieses Vorgehen die Zahnfehlstellung, liegt eine primäre Dyskinesie vor.

Im nächsten Schritt folgt die konkrete Therapie. Für eine erfolgreiche Behandlung hat die Abgrenzung primäre und sekundäre Dyskinesie oberste Priorität. Auch psychische Faktoren fließen in die Erstellung des individuellen Behandlungsplans ein. Daumenlutschen kann beispielsweise ein Hinweis auf eine seelische Dysbalance sein. Hier muss dann ganzheitlich behandelt werden.

Weitere fachübergreifende Therapieansätze sind:

  • Muskeltrainings im Mund- und Gesichtsbereich
  • Sprachheilkunde (Logopädie)
  • Kieferorthopädische Maßnahmen
  • Einbringen entnehmbarer oder fixierter Apparaturen zur Korrektur von Fehlstellungen
  • begleitende Psychotherapie, wenn seelische Trigger zugrunde liegen.

 

Wie können Patienten lernen, mit den Symptomen von Dyskinesie umzugehen und ihre Lebensqualität zu verbessern?

Aufgrund der nicht steuerbaren Bewegungen (Tics) leiden die Patienten oft an Depressionen und Minderwertigkeitsgefühlen, was einen sozialen Rückzug zur Folge hat. Am meisten hilft ein offener Umgang mit der Erkrankung. Wenn die Seele bereits stark leidet, ist eine Psychotherapie die wichtigste Säule im Therapieprogramm. Während dieser Sitzungen lernt und übt der Patient besser mit seiner neurologischen Erkrankung umzugehen. Es gibt keinen Grund, sich dafür zu schämen, jeder Mensch hat Schwächen und für diese kann er nichts. In der Therapie wird auch das Thema „Wertschätzender Umgang mit sich selbst“  behandelt. So werden die Reaktionen in der Öffentlichkeit aufgrund der Bewegungsstörung ausgeblendet und das Selbstbild gepuscht. Auch Stress sollte reduziert werden- zu viel emotionaler Druck schiebt die Symptome an. Die passende Psychotherapie ist also als Schutzschild und elementarer Baustein zu verstehen.

 

Was sind die wichtigsten Risikofaktoren für die Entwicklung von Dyskinesie und wie können sie vermieden werden?

Rauchen kann die Entwicklung einer Dyskinesie begünstigen. Um der dieser vorzubeugen, kann ein ausgeglichener Vitamin Spiegel helfen- vor allem das Vitamin E spielt hier eine bedeutende Rolle. Bei einem deutlichen Vitamin E-Defizit bauen die Muskeln ab und die Nerven sind unterversorgt. Das zeigt sich charakteristischerweise in unkontrollierbarem Zittern. Auch Störungen in den Bewegungsabläufen treten zutage. Eine tägliche Portion Nüsse und die Verwendung pflanzlicher Öle guter Qualität können davor schützen. Eine gesunde Ernährung ist eine natürliche Prävention.

Arzneimittel wie Antipsychotika  tragen stark zur Entwicklung einer Dyskinesie bei und sollten nur kurzfristig zum Einsatz kommen, um die meist in Zusammenhang mit der Langzeitmedikation eintretenden Bewegungsstörungen zu vermeiden. Außerdem sollte der Sitz von Zahnprothesen regelmäßig vom Zahnarzt in Kontrollterminen geprüft werden. Auch bei diagnostizierten Zahnfehlstellungen ist es wichtig, die richtige Behandlung rechtzeitig einzuleiten, um den gesamten Kiefer- und Kaumechanismus im Lot zu halten. Psychische Probleme, die sich in Bruxismus zeigen, sollten beim Zahnarztbesuch ebenfalls zur Sprache kommen. Wird Zähneknirschen und Zähnepressen nicht abgestellt, können daraus zusätzliche „Habits“ entstehen . Die Weitergabe von innerlichem Druck als Stressabbau macht das Leiden größer. Hektik und emotionaler Ballast darf nicht an den Zähnen ausgelassen werden. Sie sind die Säulen der Mundgesundheit. Der Mund ist ein elementares Organ des Menschen.

Wie wichtig ist es, dass Patienten mit Dyskinesie eine an ihre Bedürfnisse angepasste Therapie erhalten, und wie können Zahnärzte dabei helfen?

Unbehandelte Dyskinesien können bestehende Zahnverschiebungen und Kieferfehlstellungen verschlimmern, dadurch wird das Problem komplexer.

Wenn besonders die Lippen von der neurologischen Erkrankung betroffen sind, besteht die Gefahr, dass sich die Zähne nach vorne oder hinten verlagern.

Die permanente Mundatmung begünstigt Karies und Atemwegsinfekte. Darüber hinaus kann Zahnengstand oder ein Kreuzbiss auftreten. Eine zahnärztliche Therapie ist also dringend erforderlich, um potenziellen Folgeerkrankungen rechtzeitig entgegenzuwirken.

Daumenlutschen führt zu einer Bissanomalie, außerdem hat dies einen negativen Effekt auf das Kieferwachstum. Liegt ein chronisches Zungenpressen beim Patienten vor, fährt die Zunge ständig zwischen die Zahnreihen oder drückt gegen die Zähne. Dies kann bereits vorhandene Fehlbildungen verstärken und einen offenen Biss erzeugen. Die Zähne sind unaufhörlichem Druck ausgesetzt, wenn keine korrigierende Behandlung erfolgt. Wird frühzeitig die richtige Therapie vom Zahnarzt oder Kieferorthopäden eingeleitet, geht dies nicht selten mit einer Verbesserung der Zahnfehlstellung einher.

Wie können Patienten mit Dyskinesie ihre Familie und Freunde in ihre Therapie einbeziehen und Unterstützung erhalten?

Es ist für den Patienten von Vorteil, wenn die Familie oder der Freundeskreis von seiner neurologischen Erkrankung wissen. Die nicht abstellbare Bewegungsstörung belastet die Psyche und hemmt im Umgang mit anderen. Wenn der Patient Unterstützung durch ihm nahestehende Personen oder Angehörige erfährt, steigert dies sein Selbstbewusstsein. Gemeinsam werden Therapieziele definiert und erarbeitet. Motorische Störungen sind zwar befremdlich für Menschen, die die Anomalie nicht kennen, hier hilft jedoch Aufklärung durch einen Mediziner weiter, wovon beide Seiten profitieren. Außerdem erhöht sich durch den offenen Austausch die Lebensqualität des Patienten. Stigmatisierung ist hier ein wichtiges Thema.

Für professionelle Hilfe sind fachliche Experten gefragt. Auch bei einer weniger deutlich ausgeprägten Symptomatik kann das Hinzuziehen eines Psychotherapeuten sinnvoll sein.